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5 essentielle Tasting-Tipps für Whisky-Fans

Ein Gastbeitrag von Philip Reim

Stelle dir einmal folgendes Szenario vor.

Du hast einen Single Malt Scotch Whisky mit 12 Jahren Fassreifung vor dir. Du freust dich auf das Ploppen des Korkens, sobald du die Flasche öffnest, das erste Glas, die ersten Aromen.

Ich wette, du kennst dieses Gefühl, diese Vorfreude. Für mich ist dies immer einer der Momente, der mir vor Augen führt, warum ich dieses Hobby so liebe.

Du führst das Glas zur Nase, schwenkst es und erkennst eine Hand voll Aromen. Vanille, Karamell, Apfel…Aromen, die typisch sind für Spirituosen, die im Eichenfass reiften.

Nach einigen Gläsern und Abenden mit anderen Whisky-Fans leert sich die Flasche und du kaufst dir eine neue.

Was würdest du nun aber sagen, wenn ich behaupte, dass dir vielleicht ein Großteil dieses Whiskys abhanden gekommen ist. Wenn du Geld für diesen Whisky ausgabst, aber viel von dem, was er drauf hat, gar nicht bekommen hast.

Woher ich das weiß? Weil es mir genauso ging.

Ich stand vor meinen ersten Whiskys, gab Unmengen an Geld dafür aus und bekam nur einen Bruchteil davon zurück. Klar, jeder dieser Single Malts schmeckte toll. Aber er hätte mir viel mehr bieten können, wenn ich gewusst hätte wie.

Mir fehlte es an der richtigen Technik, um Whisky verkosten zu können. Ich war der Meinung, dass ich trinken und essen kann, also kann ich auch einen Whisky verkosten.

Falsch. Ich kann auch gehen, Fahrrad fahren und schwimmen und deswegen gewinne ich trotzdem keinen Triathlon.

Wollte ich Single Malt Whisky professionell verkosten, brauchte ich nicht nur Training, sondern auch die richtige Technik.

Und nun, lass mich dir noch eine weitere Frage stellen: Was würdest du sagen, wenn ich dir zeigen könnte, wie du aus dieser einen Flasche mehr Aromen und mehr Genuss ziehst, als bisher?

Ich möchte dir daher heute einige Tipps geben, die mir geholfen haben, Whisky auf einem neuen Niveau zu verkosten. Techniken, die du unmittelbar bei deinem nächsten Glas Single Malt anwenden kannst.

Tipp #1: Tasting Mats bringen dir Sicherheit und Flexibilität

Als Whisky-Fan bist du sicherlich schon einmal mit Aromenrädern in Berührung gekommen. Interessierst du dich für Single Malts kommst du gar nicht umhin, dass dir irgendeine Website oder ein Tasting-Referent diese Schablone unter die Nase hält.

Ihre Häufigkeit, mit der sie im Internet umherschwirren, mag schon fast überladen wirken. Aber sie sind klasse.

Ich verwendete sie, als ich Einsteiger war, später als ich schon einige Whiskys getrunken hatte und selbst nach einer Examensarbeit über Whisky und einem Whisky-Buch liebe ich diese Degustationshilfen.

Sie helfen mir gezielt nach einzelnen Aromen zu suchen und machen meine Verkostungsnotizen präziser.

Es gibt aber noch eine andere Vorlage, die ich nicht mehr missen möchte: Tasting Mats.

Im Folgenden möchte ich dir erklären, warum ich diese Vorlagen liebe und wie sie dir bei der professionellen Whisky-Verkostung behilflich sind.

Dabei spielt es keine Rolle für welche Whisky-Sorte du dich entschieden hast, professionelle Tasting Mats gehen mit dir beim Whisky-Tasting alle Schritte durch, die du beachten musst:

6 Punkte Tasting Mat

Dies bringt dir 2 entscheidende Vorteile, wenn du Whisky verkostest: Sicherheit und Flexibilität.

Sie helfen dir, jeden einzelnen Schritt zu beachten.

Als ich das erste Mal davon hörte, dachte ich mir, dass ich mir ja wohl noch 6 Punkte merken kann. Wofür brauche ich dann so eine Vorlage?

Als mir aber bewusst wurde, dass man allein die Farbe von Single Malt in 16 verschiedene Stufen mit 3 Oberkategorien einteilen kann, änderte sich meine Meinung allmählich.

Heute sind Tasting Mats für mich eine Degustationshilfe, auf die ich nicht mehr verzichten möchte.

Aus diesen Grund bin ich mir sicher, dass sie dir helfen werden einen Whisky präziser und genussvoller zu verkosten.

Tipp #2: Kaufe dir keine künstlichen Aromen-Kits

Ich habe diesen Fehler gemacht. Und diese Dinger sind ja auch nicht billig.

Vor allem, wenn du bedenkst, dass die ätherischen Öle, die darin enthalten sind, ein Haltbarkeitsdatum haben. Da du sie nicht trinkst, sind sie zwar nicht gesundheitsschädlich. Aber wenn sie ihr Aroma ändern, lenken sie auch deine Wahrnehmung dieses Dufts in eine falsche Richtung.

Aber gehen wir einmal von dem Fall aus, die Aromen des Kits sind frisch und funktionieren, wie sie sollen. Selbst dann enthalten sie nur eine oder wenige chemische Verbindungen, die ein bestimmtes Naturprodukt simulieren sollen.

Orangenschalen, Vanille, Nelke etc.

Ohne Frage sind bei manchen Kits auch ausgefallene Aromen dabei. Aber auch diese spiegeln nicht den Duft des Originals wieder.

Nimm zum Beispiel Rosenduft. Kennst du diesen intensiven, blumig-parfümigen Geruch, den diese Blüten aussenden? Dieser basiert zwar in erster Linie auf der Stoffgruppe der Damascenone, aber dies sind nur wenige Stoffe, die an der Bildung des typischen Rosendufts beteiligt sind.

Diese Vielzahl an Nuancen kann ein Aromen-Kit unmöglich simulieren.

Um daher deine Riechrezeptoren möglichst naturgetreu zu trainieren, stehen dir 2 Möglichkeit zur Verfügung.

  • Du riechst am Original. Rosenblüten, Orangenschalen, Vanille etc.
  • Du stellst dir Gläschen mit Duftproben jener Originale her

Du wirst merken, wenn du 3 bis 4 mal pro Woche nur wenige Minuten an den Proben riechst und versuchst dir deren Aroma einzuprägen, trinkst du nach nur 10 bis 12 Wochen Whisky völlig anders.

Tipp #3: Nicht jedes Nosing-Glas eignet sich zur Whisky-Verkostung

Um möglichst viele Aromen aus deinem Whisky zu ziehen, brauchst du das passende Glas. Immerhin ist es das eine Werkzeug, das du benötigst. Zur professionellen Whisky-Verkostung muss dieses passen. Ein Gärtner kann nicht mit einem Löffel arbeiten, wenn er eigentlich eine Schaufel bräuchte. Ebenso kannst du als Whisky-Fan einen Single Malt oder Bourbon nicht bis ins Detail verkosten, wenn du das falsche Glas verwendest.

Und jetzt kommt der Clou an der ganzen Geschichte: Nicht jedes Nosing-Glas eignet sich dafür.

Viele Tasting-Referenten werden dir erzählen, dass du ein Glas mit Boden, Stiel und Körper brauchst. Der Körper muss dabei unten breiter sein und zur Öffnung hin schmaler werden.
Grundsätzlich ist dagegen auch nichts einzuwenden. Allerdings ist dies ein zu ungenaue Beschreibung. Denn wenn du einmal überlegst, auf welches Spirituosen-Glas diese Beschreibung ebenfalls zutrifft, verstehst du, was ich meine.

Boden, Stiel und Körper hat auch ein Monster der Spirituosen-Szene: der Cognac-Schwenker.

Ein denkbar schlechtes Gefäß, um Whisky oder Cognac zu verkosten.

Du solltest dich daher nicht von Anfang an auf einen Glas-Stil verlassen. Auch wenn sie sich ähneln, solltest du verschiedene Gläser gegenüber stellen und mit demselben Whisky verkosten.
Du wirst erstaunt sein, wie groß die Unterschiede zwischen den Gefäßen sind, die sich eigentlich so sehr ähneln.

Tipp #4: Vergleiche Impact Compounds

Hast du schon einmal von Impact Compounds gehört?

Noch nicht? Dann geht es dir wie vielen anderen Whisky-Fans.

Ich habe in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass selbst Whisky-Connaisseure mit jahrelanger Erfahrung mit dem Begriff „Impact Compounds“ nicht viel anfangen können.

Dabei ist dies eine tolle Methode, um…

  • a) Fan bestimmter Whisky-Regionen zu werden
  • b) Einen Whisky besser verkosten zu können

Impact Compounds sind chemische Verbindungen, die charakteristisch für bestimmte Regionen oder Destillerien sind.

Ein Beispiel, an dem ich es dir am besten erläutern kann, sind die Malt Whiskys der Isle of Islay. Fast alle jener Brennereien wie zum Beispiel Lagavulin produzieren Malts mit torfig-rauchigem Bouquet.

Nun kannst du sagen, dass Phenole wie Kresol charakteristisch für Whiskys jener Insel sind, es sind also Impact Compounds der Isle of Islay.

Mit diesem Wissen bekommst du einen roten Faden. Denn Impact Compounds kommen zwar fast allen dortigen Whiskys vor, unterscheiden sich aber in Nuancen von Malt zu Malt.

Um einen tieferen Einblick in die Impact Compounds der Isle of Islay-Whiskys zu geben, wirf mal einen Blick auf folgende Infografik.

Impact Compound Islay Malts

Ähnliche Impact Compounds findest du auch in der Speyside oder den Lowlands.

Tipp #5: Gib nicht zu viel auf fremde Tasting Notes

Den wichtigsten Tipp, den ich für dich habe, habe ich mir für den Schluss aufgehoben.

Denn auch wenn du alle oben erwähnten Punkte beherzigst, wirst du wahrscheinlich von Zeit und Zeit die Tasting Notes anderer Whisky-Fans durchlesen.

Was hat ein Freund, was hat ein Experte im Internet dazugeschrieben?

Gegen dieses Vorgehen ist nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Es erweitert deinen Horizont und zeigt dir Möglichkeiten, diesen oder jenen Malt zu verkosten.

Das wichtigste dabei ist jedoch: Lass dich davon nicht beirren.

Selbst bekannte Malt Whisky-Experten wie Dave Broom und Serge Valentin liegen mit ihren Verkostungsnotizen ein und desselben Malt Whiskys häufig meilenweit auseinander.

2018-06-05T08:20:09+01:00

About the Author:

Philip ist Gründer und Autor von EYE FOR SPIRITS - ONLINE MAGAZIN FÜR TRINKGENUSS und Autor des Whisky-Buchs.

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