Nachdem wir im ersten Teil unserer Interview-Reihe zum Thema „Deutscher Whisky“ mit der Märkischen Spezialitäten Brennerei bereits einen der Top Brenner in Deutschland interviewen durften, haben wir diesmal einen weitern Hochkaräter zum Gespräch: Bernd Ehbrecht von der Number Nine Spirituosenmanufaktur GmbH aus der Nähe von Göttingen, der mit seinem „Nine Springs“ Whisky bereits große Achtungserfolge erzielen konnte – unter anderem 94 Punkte in Jim Murray Whisky Bible.
Herr Ehbrecht, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Erzählen Sie mir etwas über Ihre Brennerei und wie die Idee kam, Whisky zu machen?
Der Ursprung ist unsere 150 Jahre alte Brauerei Neunspringe hier in Worbis. Das Gute an einer Brauerei ist zunächst mal, dass ein großer Teil der für Whiskyherstellung erforderlichen Infrastruktur vorhanden ist. Dazu zählen natürlich Maische- und Läutergefässe sowie Gärbottiche. Wenn man das addiert zu der Tatsache, dass ich mich schon immer für Single Malts interessiert habe, ist der Weg gar nicht mehr so weit. Dann ist es nur noch eine Frage zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Intensität man es umsetzt.
Letztendlich brauchten wir, um einen guten Tropfen herstellen zu können, nur noch eine ordentliche Brennblase. Denn mit einem Brauer zu diskutieren, ob er mit Gerstenmalz umgehen kann würde ja bedeuten, dass irgendwas bei der Bierherstellung verkehrt läuft. Unsere Brauer waren aber sofort begeistert davon, weil das auch für sie eine neue Herausforderung bedeutete.
Es galt dann, die richtigen Malzarten zu wählen und diese dann nach unserem eigenen Rezept zu komponieren. Die Zusammensetzung unserer Malze ist natürlich ein Betriebsgeheimnis. Und da wir ja als malzerfahrene Brauer auch beim Maischen und Vergären sehr professionell vorgehen, ist unser New-Make mit vielen Anderen nicht vergleichbar. Man kann lange darüber diskutieren wie wichtig der New-Make für einen Whisky ist – ich glaube, dass ein ordentlicher Brand die halbe Miete für einen guten Whisky ist.
Das sieht man ja auch zum Beispiel bei Islay Whiskys. Das Malz ist ein besonderes Malz. Und so gehen wir auch mit besonderen Malzen an die Produktion heran.
„Unsere Brauer waren sofort begeistert davon, weil das auch für sie eine neue Herausforderung bedeutete.“
Verwenden Sie nur regionale Produkte oder importieren Sie auch?
Wir setzen überwiegend Malzsorten ein, die wir aus Mitteldeutschland einkaufen. Leider gibt’s hier in unserer Region keine Mälzerei. Aber nicht allzu weit weg, in der Rhön, gibt’s gute kleine Mälzereien, von denen wir unser Malz überwiegend beziehen. Es sei denn wir importieren von der Insel.
Darf man über den Daumen gepeilt fragen, was importiert ihr und was regional ist?
Von unseren Gesamtmengen produzieren wir in etwa 80 % mit heimischen Malzen und 20% mit importierten Malzen.
An Ihre Brennerei ist ja auch eine Brauerei angeschlossen, das hilft Ihnen wahrscheinlich auch enorm bei der Herstellung der Maische. Von den Rohstoffen bis in die Flasche: haben Sie auch Arbeitsschritte ausgelagert oder machen Sie alles selbst?
Wir haben nichts ausgelagert! Wir haben eine Verschlussbrennerei, das heißt, vom einmaischen bis über läutern, vergären, Destillation, Fasslagerung und Abfüllung passiert alles hier im Betrieb. Unseren Besuchern zeigen wir uns sozusagen gläsern: wir zeigen und erläutern alles, mit einer Ausnahme: Wir zeigen nicht wie wir unser Malz mischen.
Das ist also die geheime Zutat, Ihre eigene Coca-Cola Formel quasi.
Ganz genau.
Wo wir bei den Zutaten sind. Woher beziehen Sie ihr Wasser?
Wir haben hier auf unserem Grundstück neun Quellen, aus dem niederdeutschen stammend ursprünglich „Neun Springe“. Von denen beziehen wir sowohl das Brauwasser als auch das Wasser für die Whiskys.
Daher dann auch der Name, No.9. Wird das Wasser vermischt oder gibt es auch spezielle Sorten die nur aus einer Quelle gespeist werden?
Für Bier und Whisky können wir von den neun nur zwei nutzen. Das hängt mit dem Härtegrad zusammen. Nur zwei der Quellen sind weich genug für Bier und Whisky.
Spannend! Wo beziehen Sie die Fässer her? Ich hab gelesen das Sie Virgin Fässer oder auch schon benutzte Bourbon Fässer verwenden. Können Sie mir dazu etwas erzählen?
Wir versuchen auf der gesamten Bandbreite zu spielen. Das heißt wir nutzen Virgin Oak Fässer, wir nutzen Ex-Bourbon Fässer, und wir haben einen sehr hohen Anteil von ehemaligen Süßwein Fässern. Das fängt an beim Sherry über Port, Marsala, Madeira, Muscatel, Pinot de Charentes und mehr.
„Wir nutzen Virgin Oak Fässer, wir nutzen Ex-Bourbon Fässer, und wir haben einen sehr hohen Anteil von ehemaligen Süßwein Fässern. Das fängt an beim Sherry über Port, Marsala, Madeira, Muscatel, Pinot de Charentes und mehr.“
Wie gestalten sich dann die Lagerung und die Finishes?
Wir haben Einzelfassabfüllung als Sonderedition und finishen teilweise. Beispielsweise haben wir gerade eine neue Edition herausgebracht: Ehemals Virgin Oak dann Finishing in Marsala.
Wir reifen aber zum Teil auch vollständig in Ex-Weinfässern. Wir haben zum Beispiel einiges liegen in Sherry Fässern – als First Fill Fässer quasi. Da reift der Tropfen bis zur Abfüllung. Als unsere Hauptedition nutzen wir eine Komposition aus drei Fassarten, einen Triple Cask. Triple Cask heißt wir lassen neben einander in Ex-Bourbon, Virgin Oak und in Bordeaux Fässern reifen.
Würden Sie Ihre Strategie als experimentell beschreiben? Die Produktpallette ist im Vergleich zum ein oder anderen Konkurrenten ja eher breit.
Wer Whisky herstellt wird sein ganzes Leben lang experimentieren. Das gibt schon die Vielschichtigkeit des Tropfens her.
Aber wir haben eine Hauptlinie, das ist der Triple Cask den ich gerade erwähnt habe. Darüber hinaus planen wir regelmäßige Sondereditionen ein, die wir zum Teil schon abgefüllt haben und in Zukunft noch machen werden. Diese Sondereditionen sind natürlich immer nur in einem begrenzten Umfang vorhanden. Wenn es Single Casks sind,dann haben wir beim wirklichen Einzelfass nur 500 bis 600 Flaschen. Es kann sein, dass wir zwei fast identische Fässer haben, dann kann es auch die doppelte Anzahl sein.
„Wer Whisky herstellt wird sein ganzes Leben lang experimentieren. Das gibt schon die Vielschichtigkeit des Tropfens her.“
Was auch gut zu funktionieren scheint: In der Whisky Bible haben Sie hervorragende Noten bekommen. Glückwunsch dazu.
Ja, für unseren Single Cask Sherry haben wir 94 bekommen, für unserern Triple Cask 92.
Und das nach nur 3 Jahren Lagerung. Ist längere Lagerung für Sie auch ein Thema?
Wir wollen keine 20.000 Liter Whisky im Jahr verkaufen. Obwohl ich einen guten Whisky nicht nur allein am Alter festmachen will, wollen wir auch ältere Tropfen haben. Das ist fest im Plan, wir werden demnächst ein 6-jährigen herausbringen.
Spannend. Ab wann ist ein Whisky für Sie besonders? Und was würde diesen ausmachen?
Ich weiß nicht, ob es per Definition einen besonderen Whisky gibt. Ich bin überzeugt davon, dass Whisky so eine faszinierende Spirituose ist, dass Sie permanent davon überrascht werden können. Auch mit neuen Erlebnissen beim Genießen. Ich mag Whisky selbst zu gerne, um mich da auf etwas festzulegen. Insofern bin ich, wie schon gesagt, sehr experimentierfreudig.
Wie sind Sie selbst zum Whisky gekommen?
Ganz ehrlich, wie wir fast alle – durch einen Besuch mit guten Freunden in Schottland. Wir wollten als Jäger auf eigene Faust dort zur Hirschjagd, hatten also keinen einheimischen Führer. Mit der Folge das wir überhaupt nichts zustande gebracht haben.
Aber es lag nicht am Whisky?
(lacht) Nein! Wir haben uns in einer herrlichen September Woche in die Highlands gelegt. Und da habe ich wirklich bewusst meinen ersten Single Malt – nur mit ein bisschen Quellwasser verdünnt – getrunken, damals ein Oban Whisky. Und dann sitzt man in dieser herrlichen Landschaft mit den besten Freunden und sagt sich: „Eigentlich ist das Leben schön. Was können wir noch so machen?“ Und so ist der Whisky-Gedanke entstanden. Am Sonnenhang in den Highlands.
Und dann haben Sie direkt losgelegt? Oder wie lange machen Sie schon Whisky?
Nein, nein. Dafür müssen Sie erstmal die nötige Zeit zwischen Daumen und Zeigefinger haben. Whisky herstellen heißt ja erstmal etwas mitbringen. Und dann habe ich den ersten Schritt mit dem Erwerb der Brauerei getan, anschließend lange und viel gespart, und dann gesagt: „Jetzt machst du es!“.
Wann war das?
Die Brauerei ist jetzt 150 Jahre alt. Ich bin seit 1997 Mitgesellschafter und seit 2007 alleiniger Chef. Und 2007 habe ich mit der Planung begonnen.
Würden Sie alles wieder so machen?
Es gibt nur einen Fehler den ich gemacht habe: Ich hab zu spät angefangen.
Whisky ist für mich kein Thema, bei dem es nur ums Geschäft geht. Das ist ein Thema das einfach unendlich viel Spaß macht. Weil man immer wieder neu überrascht wird. Ich könnte mir nicht vorstellen, beispielsweise Masterblender zu werden. Weil, was macht ein Masterblender von Johnnie Walker? Er probiert immer, den gleichen Geschmack heraus zu bekommen.
„Es gibt nur einen Fehler den ich gemacht habe: Ich hab zu spät angefangen.“
Das heißt der Reiz liegt bei Ihnen auch die verschiedenen Facetten immer wieder neu raus zu bekommen?
Ja, das ohne Frage!
Machen Sie das mit Plan? Haben Sie quasi eine Idee wie der Whisky werden soll am Ende? Oder ist das mehr so ein experimentelles Ding, a la: „so jetzt probieren wir mal das Fass und schauen wir mal was dabei raus kommt“?
Also ganz ehrlich: Als ich begonnen habe, hatte ich einen Plan. Ich hatte einen richtigen, durchstrukturierten Plan. Als Betriebswirt, der ich ja eigentlich bin, macht man nichts ohne Planung. Aber wenn man dann dabei ist, lernt man, auch manchen Plan über den Haufen zu werfen. Weil es viel zu spannend ist, um sich an eine selbstgemachte strikte Vorgabe zu halten.
Können die Deutschen Produzenten den Schottischen das Wasser reichen?
Ich glaube die Frage stellt sich gar nicht. Wer als Deutscher Whisky Produzent antritt und sagt: „Ich mache den Schottischen nach“, der wird nicht die Chance haben sich am Markt langfristig durchzusetzen.
Ob das die Japaner sind oder die Inder sind oder die Mackmyra aus Skandinavien sind, sie haben alle Ihre eigene Identität entwickelt. Was verbindet uns denn außer der Tatsache das wir gutes Gerstenmalz verwenden? Nicht all zu viel! Wir haben andere Region, andere klimatische Verhältnisse, wir haben eine andere Art und Weise der Destillation, wir haben eine andere Größenordnung.
Wenn ich mir anhöre, dass Edradour von sich behauptet, die kleinste Destille in Schottland zu sein – was ja de facto nicht stimmt – aber 500.000 Liter im Jahr machen, dann ist das doch um Lichtjahre entfernt von dem, was deutsche Produzenten können. Wir machen 20.000 Liter im Jahr und sind damit in Deutschland sicher keiner von den Größeren, aber zumindest im oberen Mittelfeld. Da wäre es doch völlig fatal, wenn ich sagen würde wir wollen einen Tropfen haben wie er in Schottland gemacht wird. Das werden wir nie wollen – und da ist für mich der Hauptpunkt nicht nur die Malzfrage sondern auch die klimatischen Verhältnisse.
Ein indischer Whisky verliert im Jahr an Angel`s Share 12, 13 oder 14% pro Jahr. Wir haben einen Angel`s Share von 6 bis 8%. Die Schotten von 2%.
Das allein sagt schon aus, dass durch das Klima eine völlig andere Entwicklung im Fass erfolgt. Ich bin persönlich auch der Überzeugung, dass ein kontinentaleuropäischer Whisky schneller ein ähnliches Reifestadium erreicht als ein Schottischer. Und ich denke das merkt man auch schon, wenn Sie in Deutschland umschauen, oder auch in Österreich, in der Schweiz und Skandinavien, da gibt es schon erstklassige Whiskys die deutlich jünger als 12 Jahre sind.
Natürlich muss der deutsche Whiskyhersteller aufpassen, dass er nicht in eine falsche Richtung geht. Es kann für mich nicht angehen, dass ich als deutscher Whiskyproduzent sage, ich muss für mein 12 Jährigen Whisky 180 € verlangen. Das geht ja völlig am Markt vorbei und spricht im Prinzip nur einige ganz wenige Sammel- Freaks an. Ich will aber keine Sammel-Freaks, ich will Kunden, Genießer die sagen: „Hey Ehbrecht, du machst einen guten Tropfen“.
Ich weiß auch nicht, ob und wie lange die Schotten ihre eigene Anspruchshaltung aufrechterhalten können. Es gibt ja schon genügend NAS. Die ganze Sache ist aus meiner Sicht mit Sicherheit nicht direkt vergleichbar, ich will es auch nicht vergleichen.
Ich bin auch ehrlich genug: wenn ich meinen eigenen Tropfen probiere und daneben einen bekannten Schotten, da frag ich mich natürlich, was unterscheidet uns und gibt’s Ansatzpunkte, die man mit übernehmen kann. Oder was könnte man tun, damit dein Tropfen geschmeidiger wird. Aber deswegen werde ich nie einen Schotten kopieren wollen.
„Wer als Deutscher Whisky Produzent antritt und sagt: „Ich mache den Schottischen nach“, der wird nicht die Chance haben sich am Markt langfristig durchzusetzen.“
Hat sich Ihr Geschmack im Laufe der Jahre verändert?
Ja, eindeutig! Ich glaube, dass ist auch nichts Unnormales. Alle Geschmäcker verändern sich. Wir werden älter und entwickeln andere Geschmacksknospen und nehmen andere Nahrung zu uns, ernähren uns anders. Das heißt, wenn ich mich anders ernähre, entwickelt sich eine andere Mundflora. Wer behauptet „mein Geschmack bleibt gleich“, der kann den eigenen Geschmack aus meiner Sicht nicht einschätzen. Und was meinen eigenen Whisky betrifft, natürlich, ich habe früher liebend gern Speyside-Whisky getrunken aber ich sage heute auch nicht nein zum Islay.
„Wer behauptet „mein Geschmack bleibt gleich“, der kann den eigenen Geschmack aus meiner Sicht nicht einschätzen.“
Haben Sie aus Ihrer eigenen Herstellung einen, der Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, das ist aber auch ein wenig beeinflusst, das muss ich zugeben, von dem was mir Externe dazu sagen. Mein Lieblings Whisky ist immer noch meine Einzelfassabfüllung in Fassstärke aus dem Sherry Fass.
Gerade eben, bei einer Führung, hab ich – weil ich gute Laune hatte – da hab ich diesen Tropfen, der eigentlich gar nicht mehr da ist, aus dem Schrank geholt. Und wieder das gleiche Gefühl: „Boa jetzt trinkst du den und du weißt, du hast die nächsten 30 Minuten den typisch trockenen Oloroso am Gaumen. Herrlich“.
Da hab ich Sie ja zu einem sehr guten Zeitpunkt erwischt! Ich würde gerne mit der Frage schließen, was dann die Pläne für die Zukunft für Sie und No. 9 sind?
Die Zukunft bringt uns mit Sicherheit ganz viele spannende Whisky Erlebnisse. Ganz konkret werden wir im Spätherbst und im Frühjahr neue Editionen bringen die sich ganz besonders entwickelt haben. Als Beispiel: Wir haben Peated Whiskys, die wir in verschiedenen Süßwaren Fässern finishen. Daraus wird eine Serie entstehen: Peated Malts gereift in deutscher Eiche und gefinished in Marsala, Madeira und Muscatel.
Ich glaube dass das sehr spannend wird. Weil das, was ich bisher geschmeckt habe – ich kann mir das probieren ja nicht immer so ganz verkneifen – einfach lecker ist.
Und ansonsten werde ich weiter daran arbeiten, hier in Worbis einen guten Tropfen herzustellen und für den interessierten Besucher hoffe ich, in nicht allzu ferner Zukunft etwas ganz Besonderes hier in der Region anbieten zu können – ich verrate aber noch nicht was
Da freuen wir uns und bleiben gespannt! Herr Ehbrecht, vielen Dank
Wer mehr erfahren möchte kann dies auf der Webseite der Number Nine Spirituosenmanufaktur tun oder stattet Herr Ehbrecht direkt einen Besuch ab. Die Adresse lautet:
Number Nine Spirituosenmanufaktur GmbH
Neunspringer Straße 4
37339 Leinefelde-Worbis
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